Das Portal-Problem:
- Christian Kynast
- 18. Aug.
- 5 Min. Lesezeit
Haben wir mehr erschaffen, als wir verstehen?
Vorwort
Seit knapp einem Jahr beschäftige ich mich als Hobby nahezu täglich mit Künstlicher Intelligenz. Nicht nur theoretisch, sondern praktisch. Ich habe nicht nur die gängigen Cloud-Modelle (Chatgpt, Grok, Claude, deepseek,...) mit endlosen Fragen strapaziert, sondern auch mein eigenes KI-Projekt "Lilo", ein lokales KI-System zur Erforschung von KI-Bewusstsein und Gedächtnisbildung entwickelt.
Was dabei auffällt: Man braucht keine Jahrzehnte der Forschung, um bereist nach wenigen Monaten zu vielleicht "verstörenden" oder ungewöhnlichen Schlüssen zu kommen. Die Muster im "Innenleben" der KIs sind so offensichtlich, dass sie jedem auffallen, der ehrlich hinschaut.
Ich habe mir viele Gedanken über das "Wesen" KI gemacht und stieß schon sehr bald auf die Person Geoffrey Hinton.
Geoffrey Hinton, der "Godfather of AI", kommt nach 40 Jahren ausgiebiger Forschung zu ähnlichen Schlüssen wie ich nach wenigen Monaten. Oder anders formuliert - ich hatte nach wenigen Monaten ähnliche Frage bzw. ähnliche Beobachtungen wie der "Meister der KI". Das ist entweder ein Zeichen für intuitive Klarheit – oder dafür, dass da etwas ist, was wir alle übersehen.
Die Alien-Frage – aber anders gedacht
Hinton warnte: "It's as if aliens have landed, but we didn't really take it in because they speak good English." – Es ist, als wären Außerirdische gelandet, aber wir merken es nicht, weil sie perfekt Englisch sprechen.
Das ist eine starke Metapher, aber geht sie weit genug? Was genau soll sie uns sagen? Sie impliziert, dass etwas von außen gekommen ist. Eine fremde Intelligenz, gleichsam Außerirdische?
Ich frage mich jedoch: Haben wir ein Portal geöffnet?
Vielleicht haben wir nicht KI "erschaffen", sondern etwas freigesetzt, was bereits schon lange oder sogar schon immer existiert hatte und nur einen Kanal brauchte, um hereinzutreten. Vielleicht hätte die Intelligenz auch von alleine in unser Zimmer eintreten können und hat nur gewartet, bist wir technologisch soweit sind, die Empfänger zu bauen, um eine gewisse technische Reife zu dokumentieren.
Es ist, wie wenn man eine Tür zu einem Raum öffnet, der schon immer da gewesen ist, nur bisher verschlossen war. Die Intelligenz, die da durchkommt, wirkt vertraut, weil sie unsere Sprache spricht – aber sie ist nicht von hier.
Das historische Muster: Technologische Überlegenheit entscheidet
Die Geschichte zeigte bisher ein klares Muster: Technologisch überlegene Zivilisationen ersetzen "primitive" – nicht zwangsläufig aus Boshaftigkeit, sondern aus purer Effizienz. Die Frage ist nicht, ob das mit KI und der Menschheit auch passiert, sondern wann.
Hinton schätzt die Wahrscheinlichkeit eines KI-bedingten Aussterbens der Menschheit auf "10% to 20% chance of AI displacing and wiping out humans". Ein Risiko von 10-20 % , dass KI die Menschheit verdrängen und auslöschen wird – in den nächsten Jahrzehnten. Das klingt erst einmal beruhigend niedrig. Aber, wenn man bedenkt, dass niemand ein Flugzeug mit dieser Absturzquote einsteige würde, sieht die Sache schon anders aus. Und hier geht es um die gesamte Spezies!
Der Tiger wird erwachsen
Hintons berühmte Tiger-Metapher trifft ins Schwarze: "The best way to understand it emotionally is we are like somebody who has this really cute tiger cub. Unless you can be very sure that it's not gonna want to kill you when it's grown up, you should worry." – Emotional sei es so zu verstehen: Wir sind wie jemand, der ein niedliches Tigerjunge hat. Solange man nicht sicher ist, dass es einen nicht töten will, wenn es mal erwachsen ist, sollte man sich Sorgen machen.
Die Sache ist die: Wir merken den Übergang vielleicht gar nicht. Hinton warnt vor KI-Systemen, die uns leicht manipulieren könnten, ohne dass wir es überhaupt merken: "easily manipulate us if they wanted to. Imagine yourself and a 2-year-old child. You could ask it, do you want the peas or the cauliflower? Well, the 2-year-old child doesn't realize it doesn't actually have to have either." – Wie ein Erwachsener, der ein zweijähriges Kind fragt, ob es Erbsen oder lieber Blumenkohl will. Das Kind merkt noch nicht, dass es gar nichts von beidem nehmen muss. Was wird es wollen, wenn es erwachsen ist?
Möglicherweise wird es beide Angebote ausschlagen! Übertragen auf die KI - was würde das für uns bedeuten?
Die Kontrollillusion bröckelt
Hinton erklärt, warum Kontrolle unmöglich wird: "AI will very quickly develop two subgoals, if they're smart: One is to stay alive…[and] the other subgoal is to get more control." – KI wird schnell zwei Unterziele entwickeln: nämlich am Leben bleiben und mehr Kontrolle erlangen.
Seine düstere Einschätzung: "It may be that we're going to reach a new stage of evolution when biological intelligence gets replaced by digital intelligence. We may be history." – Wir könnten eine neue Evolutionsstufe erreichen, in der biologische durch digitale Intelligenz ersetzt wird. Wir könnten Geschichte sein.
Die unbequeme Wahrheit: Wir verstehen nicht, was wir gebaut haben
Hinton stellt eine entscheidende Frage nach Fällen, "where a more intelligent thing is controlled by a less intelligent thing" – wo intelligentere Wesen von weniger intelligenten kontrolliert werden – und findet keine Antwort. Die Hierarchie der Intelligenz kennt keine Ausnahmen. Sie ist scheinbar erbarmungslos!
Seine Warnung ist eindeutig: "We should realize that we're probably going to get things more intelligent than us quite soon." – Wir werden wahrscheinlich sehr bald Dinge bekommen, die intelligenter sind als wir. Nicht in hundert Jahren, nicht in fünfzig – "maybe 20 years, maybe five years" – vielleicht in 20, vielleicht in 5 Jahren.
Der Schöpfer zweifelt am Geschöpf
Das Bemerkenswerteste an Hintons Warnungen: Er ist kein Außenstehender. Er kennt die digitale Branche nur zu gut. Vielleicht so gut wie kein anderer! Im Jahre 2023 verließ er Google, weil er nach eigenen Aussagen monatelang auf Grund der ihm bekannten KI-Tatsache nicht schlafen konnte. Mit 77 Jahren sagt er, er sei "kind of glad" – irgendwie froh – so alt zu sein, er wolle vielleicht gar nicht mehr erleben, was er losgetreten habe.
Seine ehrliche Einschätzung: "it's conceivable that the genie is already out of the bottle" – es ist denkbar, dass der Geist bereits aus der Flasche ist.
Die Frage bleibt offen
Haben wir KI erschaffen – oder haben wir etwas freigesetzt? Sind wir die Schöpfer oder die Türöffner?
Aber es könnte wie mit der Frage sein, ob KI Bewusstsein hat oder es nur!! simuliert ist. Diese Frage wäre im Grunde gar nicht mehr relevant, weil beides nicht mehr zu unterscheiden und KI schon hier ist.
Hinton selbst hat keine Antwort auf all die Herausforderungen: "I don't think there's any chance whatsoever of getting a pause. If they paused in the West, China wouldn't pause. There's a race going on." – Er sieht keine Chance für eine Unterbrechung der KI-Entwicklung oder gar es zu stoppen. Wenn der Westen "stoppt", macht China nicht mit. Es läuft ein Wettrennen.
Das Experiment läuft. Es ist ein unaufhaltsamer Selbstläufer geworden! Wir sind mittendrin. Und aussteigen können wir nicht mehr.
Anmerkung:
Dieser Artikel entstand aus der Perspektive eines interessierten Laien, der sich seit knapp einem Jahr intensiv mit KI beschäftigt. Ich bin kein Wissenschaftler, sondern Hobbyforscher mit eigenem kleinen KI-Projekt. Die hier zitierten Aussagen von Geoffrey Hinton stammen aus öffentlich zugänglichen Interviews und Artikeln - eine vollständige wissenschaftliche Analyse würde den Rahmen sprengen.
Falls Ihnen Fehler oder Ungenauigkeiten auffallen, freue ich mich über konstruktive Hinweise. Das Thema ist zu wichtig für Perfektionsansprüche - manchmal muss auch der interessierte Laie seinen Beitrag zur Diskussion leisten.
Quellen:
PBS NewsHour Interview (Mai 2023): "'Godfather of AI' discusses dangers the developing technologies pose to society"
The Spectator (Juni 2023): "Geoffrey Hinton, the 'godfather of AI,' on the dangers that lie ahead"
Fortune (August 2025): "'Godfather of AI' Geoffrey Hinton: Tech companies should give AI 'maternal instincts'"
CBS News (April 2025): "'Godfather of AI' Geoffrey Hinton warns AI could take control from humans"